Schmerzerkennung bei Katzen: Ein Blick hinter die Fassade (Cattalk)

Warum Schmerzerkennung so wichtig ist

Katzen sind Meister im Verbergen von Schmerzen. Das wissen die meisten von uns – aber warum ist das so? Katzen sind nicht nur Jäger, sondern ebenso Beutetiere für andere Raubtiere. Anders als z.B. Hunde jagen sie ausschließlich allein, müssen also für ihr Überleben dauerhaft allein sorgen. Dadurch sind sie darauf angewiesen, fit und gesund zu wirken. Natürlich werden die meisten Hauskatzen gut von uns Menschen versorgt, aber ihr Körper funktioniert eben nach wie vor so, wie von der Natur erschaffen, und so können sie Überlebensinstinkte auch in unserer Obhut nicht einfach ablegen.

Oft schleichen sich Krankheiten und Schmerzen langsam ein, sodass wir die äußerlichen Veränderungen, aber auch solche auf Verhaltensebene im Alltag übersehen. So kann es uns auch bei bester Fürsorge passieren, dass unsere Katze unentdeckt unter einem dauerhaften oder immer wieder auftretenden Schmerz leidet. Je früher wir diesen erkennen, desto schneller können wir gezielt helfen.

Eine frühe Schmerzerkennung ist entscheidend, weil Schmerzen nicht nur unangenehm sind, sondern auch die Lebensqualität unserer Katzen erheblich beeinträchtigen können. Lang anhaltende Schmerzen überlasten den Körper und das Gemüt des Tieres, was zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen kann. Ein andauerndes Zwicken und Zwacken wirkt sich zwangsläufig auf die Lebensfreude und -qualität unserer Katzen aus und kann zu Verhaltensänderungen bis hin zu einem Problemverhalten führen.

 

Woran erkenne ich Schmerzen bei meiner Katze?

Wie schon erwähnt, setzen Katzen alles daran, sich möglichst nicht anmerken zu lassen, wenn es in ihrem Körper zwickt. Dennoch können wir unseren Blick schulen und auf typische Schmerzzeichen achten. Runde Kulleraugen und ein offener Blick mit locker gespreizten Schnurrhaaren deuten auf Wohlbefinden hin. Sind die Augen jedoch mandelförmig, (leicht) schräg gestellt und die Schnurrhaare eng aneinander ausgerichtet, könnte unsere Katze unter Schmerzen leiden. Beobachte daher am besten in verschiedenen Situationen, ob du eines dieser Zeichen sehen kannst und wie häufig diese Symptome vorkommen. Aber Achtung: Achte darauf, deine Katze dabei nicht anzustarren, denn das gilt unter Katzen als unhöfliche Bedrohung. Schau also immer mal wieder zur Seite und blinzle langsam mit den Augen. Letzteres ist in Katzensprache das „Lächeln“ und vermittelt dem Tier, dass du es gut mit ihm meinst.

Neben der Mimik ist auch die Körperhaltung für dich ein Wohlfühl-Indikator: Kauert die Katze mit spitzem Rücken und abgesenktem Kopf, sollten unsere Alarmglocken läuten. Vielleicht ist ihr nur etwas zu frisch um die Pfoten – aber es könnte auch ein Schmerzgeschehen oder Unwohlsein bedeuten, dass sie angespannt kauert. Hält sie den Kopf unterhalb der Rückenlinie, klappt die Ohren etwas seitlich an, kann auch das auf Unwohlsein und Schmerzen hindeuten. Auch hier gilt: Schau zunächst genauer hin, wie häufig und in welchen Situationen du diese Körperhaltung wahrnimmst und finde heraus, welche Ursache dahinter steht.

 

Meine persönliche Erfahrung zu Schmerzen bei Katzen: Meine Pflegekatze Käse

Ein für mich besonders prägendes Beispiel für die Bedeutung der Schmerzerkennung ist meine eigene Pflegekatze namens Käse. Die Katzendame hat u.a. eine Verkalkung in der hinteren Wirbelsäule, die ihr teilweise starke Schmerzen beschert. Außerdem leidet sie unter dem Felinen Hyperästhesie-Syndrom, was bedeutet, dass sie sehr empfindlich auf Berührungen reagiert. Gleichzeitig lässt sich Käse sehr leicht aus der Fassung bringen, sie reagiert gestresst und benötigt daher viele Rituale, um sich entspannen und sicher fühlen zu können. Seit Käse bei uns wohnt, ist es für mich noch wichtiger geworden, selbst kleinste Anzeichen von Schmerzen bei ihr zu erkennen.

Durch gezielte Beobachtungen habe ich gelernt, wie ich ihr mit sanften Massagen und Entspannungsritualen helfen kann, ihren Schmerz zu lindern. Je früher ich sie dabei unterstütze, desto weniger müssen wir auf belastende Medikamente zurückgreifen. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, die feinen Signale unserer Katzen wahrzunehmen und darauf zu reagieren.

 

Was tun, wenn wir Schmerzen erkennen?

Wenn du Schmerzanzeichen bei deiner Katze wahrnimmst oder dir nicht ganz sicher darüber bist, solltest du möglichst zeitnah zu einem Tierarzt oder einer Tierärztin gehen und deine Beobachtungen abklären lassen. Sammle hierfür so viele Hinweise wie möglich im Vorfeld, denn eins ist schon jetzt sicher: Deine Katze wird ihre Symptome zuhause lassen und in der Praxis noch weniger zeigen als in eurem Alltag. Foto- und Videoaufnahmen können dabei helfen, das Verhalten deiner Katze zu dokumentieren und mit der Medizinerin bzw. dem Mediziner zu besprechen. Notiere, wann und wie häufig die Symptome auftreten. Tritt das Verhalten z.B. häufig nach dem Fressen auf? Dann könnten Verdauungsprobleme die Ursache sein – ein häufig unterschätztes und übersehenes Krankheitsbild bei Katzen.

Eine der häufigsten Schmerzursachen bei Katzen überhaupt ist jedoch die sehr schmerzhafte FORL – mittlerweile häufig nur noch RL (Feline odontoklastische resorptive Läsionen). Etwa jede zweite Katze ab fünf Jahren leidet darunter! Das Fiese an dieser Erkrankung: Sie ist von außen häufig nicht oder erst sehr spät sichtbar, und selbst das Fressverhalten ist in vielen Fällen völlig unauffällig! Diese Erkrankung führt – grob gesagt – dazu, dass sich die Zähne von der Wurzel aus auflösen, was äußerst schmerzhaft ist. Leider sind die Symptome oft schwer zu erkennen, und ein Dentalröntgen ist der einzige Weg, um Klarheit zu bekommen.

 

Ein Aha-Moment für Katzenhalter:innen

In meiner Praxis erlebe ich oft, dass Katzenhalter:innen überrascht sind, wenn ich ihnen zeige, dass ihre Katze möglicherweise schon lange leise unter Schmerzen leidet. Ich kann ihnen in Videoaufnahmen die oben beschriebenen Symptome und weitere Anzeichen vermitteln, sodass sie selbst erkennen können, wie es ihrem felligen Schatz geht. Es tut mir leid zu sehen, wie sie sich nach unserem „Aha-Moment“ Vorwürfe machen, dass sie das Leid ihrer Katze nicht erkannt haben. Doch das Wichtigste ist, dass wir unser Wissen über Katzen, ihr Verhalten und ihre Sprache immer weiter verbessern, um noch früher erkennen zu können, was sie von uns brauchen.

Die Schmerzerkennung bei Katzen ist ein entscheidender Aspekt für ihr Wohlbefinden, wenn nicht sogar einer der wichtigsten überhaupt. Indem wir lernen, die feinen und subtilen Anzeichen von Schmerzen zu erkennen, können wir dazu beitragen, dass unsere Katzen ein glückliches und gesundes Leben führen. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere geliebten Vierbeiner nicht im Stillen leiden müssen!

 

Über die Autorin

Carmen Schell ist Gründerin und Inhaberin von Cattalk – einer Katzenverhaltensberatung in der DACH-Region. Seit über zehn Jahren dreht sich ihr Berufsleben (und ein großer Teil ihrer Freizeit) ausschließlich um Katzen und ihre Menschen. Nach ihrer Zertifizierung als Katzenverhaltensberaterin und Katzenpsychologin legte sie ihren Fokus einerseits auf die klassische Haltungs- und Problemberatung, also auf alle Fragen rund um das Zusammenleben und dessen Stolpersteine mit Katzen. Zum anderen vermittelt sie in Präsenz- und Onlineschulungen sowie als Buchautorin aktuelles Wissen zur Katzenhaltung und dem besseren Verständnis ihrer Bedürfnisse und der Art, wie sie mit uns und wir mit ihnen kommunizieren können.

In den bisher über 1000 Beratungsfällen kristallisierte sich vor allem eines immer wieder heraus: (Mit-)Ursache für viele Anfragen zu Unsauberkeit, Harnmarkieren, aber auch Persönlichkeitsveränderungen und Streitigkeiten zwischen Katzen sind organische Probleme, die häufig mit Schmerzen verbunden sind. Dabei verschleiern Katzen bestmöglich den wahren Grund ihrer vermeintlich schlechten Laune: Schmerzen! Als chronische Schmerzpatientin weiß Carmen aus eigener Erfahrung, wie zermürbend ein ständiger Schmerz sein kann, wie viele Lebensbereiche davon betroffen sein können und auch, wie gut Lebewesen Schmerzen verschleiern können. Gleichzeitig hat sie sich darauf spezialisiert, Schmerzen bei Katzen nicht nur selbst besonders gut erkennen zu können, sondern auch Menschen zu helfen, woran sie dennoch erkennen können, dass es ihrem geliebten Plüschpopo nicht gut geht.


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